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AGILE FÜHRUNG

Roland Spitzegger


Wie ein roter Faden zieht sich die Erkenntnis durch viele meiner Blogs, dass Faktoren wie Globalisierung, Digitalisierung, Vernetzung unsere Welt immer schneller werden lassen. Schneller bedeutet, dass die Zeitabstände zwischen Veränderungen oder gar Neuerungen immer kürzer werden. Diesen permanenten raschen Wandel nennt man VUCA (volatil, uncertain, complex, ambigious). Zwar wissen wir, dass sich die Welt verändert – aber da wo immer mehr Variable ins Spiel kommen, wissen wir nicht, in welche Richtung es gehen wird. Zunehmend fühlt sich der Mensch dabei verwirrt, orientierungslos, gleichsam hineingeworfen in ein sinnloses Universum – Sartre und Kafka grüßen grinsend von drüben nach hüben. Könnten schnelle Reaktionsfähigkeit und Flexibilität die Resilienz gegen die omnipräsente Ohnmacht fördern? Anders gefragt: Ist Agilität die Lösung? Ein Schlagwort, das in den letzten Jahren einen außerordentlichen Hype erfahren hat und nahezu als Allheilmittel für neue Herausforderungen im wirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess gehandelt wird.

 

Die Herausforderungen

 

Was könnten die Herausforderungen sein? Kunden zum Beispiel werden immer anspruchsvoller. Waren wir früher jahrelang mit einem Produkt zufrieden, so wollen wir heute schnell das neueste Update. Ist ein Unternehmen agil aufgestellt, dann hat es die Fähigkeit sehr viel schneller Trends und Veränderungen wahrzunehmen und darauf kurzfristig reagieren zu können. Durch flache Hierarchien und veränderte Entscheidungskompetenzen müssen nicht langwierige bürokratische Prozesse durchlaufen werden, bevor reagiert werden kann.

 

Der Wettbewerb wird immer schärfer. Auch hier gilt das olympische Prinzip: wer sich höher, schneller weiter bewegt, wird mit einem Plätzchen ganz oben am Podest belohnt. Oder disruptive Technologien. Das sind Erfindungen, die den Markt komplett umkrempeln. Vor 120 Jahren hat das Auto das Pferd ersetzt. In jüngerer Vergangenheit hat die digitale Fotografie die analoge ersetzt. Und das Smartphone hat seinen Siegeszug um die Welt angetreten und gleichzeitig dem klassischen Telefonapparat (auch im öffentlichen Raum) ein Grab geschaufelt. Wie lange noch werden wohl Kraftfahrzeuge mit fossilen Brennstoffen fahren? Schon jetzt zeichnet sich ein eindeutiger Trend zur Elektrifizierung ab. Kurzum: Agile Unternehmen zeichnen sich durch eine deutlich größere Innovationsfähigkeit aus. Dadurch, dass Neues willkommen geheißen wird und dass Versuche und Fehler als normaler Teil eines Entwicklungsprozesses gelten, sind die Mitarbeiter motiviert selbst auszuprobieren und nach bestmöglichen Lösungen zu forschen.

 

Ein weiterer Faktor ist der demografische Wandel. Es wird immer schwieriger qualifizierte Mitarbeiter zu finden, allerorts werden sie in diesem Arbeitnehmermarkt händeringend gesucht. Talente haben die Wahl, wo sie ihre Zeit verbringen möchten. Und da sind agile Unternehmen im Vorteil, denn durch die Möglichkeit der Mitbestimmung und Mitgestaltung, durch flache Hierarchien und Empowerment, sind sie bei bestehenden und potentiellen Mitarbeitern beliebter und somit auf dem Arbeitsmarkt sehr viel erfolgreicher als klassisch geführte Unternehmen. Und dann ist da noch die Sache mit dem Generationsumbruch, den wir gerade miterleben und den ich ja schon in einigen meiner Blogs thematisiert habe. Insbesondere für Mitglieder der GenZ, die jetzt auf den Arbeitsmarkt drängen, sind agile Unternehmen aus den eben genannten Gründen attraktiv. Denn jüngere Mitarbeiter bringen wenig Lust auf die althergebrachte Führung im Sinne von Top Down und Command and Control mit. Sie wollen von sich aus lieber mitdenken als kommentarlos Anweisungen abzuarbeiten.

 

Agile Prinzipien

 

Agilität, was macht sie eigentlich aus?

  • Klare Visionen und davon abgeleitete strategische Ziele – Wohin wollen wir? Was wollen wir? Warum wollen wir es?

  • Schaffung eines gemeinsamen Wertekosmos. Das gilt nicht nur für die Ansprache an den Kunden, sondern gerade und vor allem für die Mitarbeitenden im Unternehmen.

  • Größtmögliche Transparenz: jeder im Unternehmen sollte alle relevanten Informationen, vorhandenes Wissen sowie Ressourcen und Kompetenzen abrufen dürfen.

  • Die Entscheidungsmacht sollten diejenigen haben, die ein Projekt umsetzen sollen – Entscheidungen werden dabei vom Team getroffen. Die Teams werden dazu befähigt autonom und selbstorganisiert zu arbeiten.

  • Grundvoraussetzung ist die Klarheit in den Rollen und in den Prozessen und Aufgaben.

 

 

Agile Führung

 

Agile Leader wollen mitgestalten, nicht befehlen. Weil Entscheidungen eigen- und selbständig im Projekt-Team getroffen werden können, kann ebenso ein natürlicher Umgang mit Fehlern erlernt werden – Stichwort Fehlerkultur. Anstatt einfach nur als Erfüllungsgehilfe bzw. Ausführender zu fungieren und die Tragweite der Entscheidungen nicht nachvollziehen zu können, machen sich die Beteiligten vorab sorgfältig und grundlegend Gedanken, wie die vorgegebene Aufgabe erfüllt oder strategische Ziele erreicht werden können. So entsteht im gesamten Unternehmen ein agiles Mindset bzw. eine agile Kultur mit crossfunktionalen Teams – und alle sind darauf ausgerichtet und daran interessiert Entscheidungen im Sinne des Unternehmens zu treffen.

 

Der Nährboden dafür wird durch eine agile Führung geschaffen. Alle Beteiligten werden zum lösungsorientierten Denken motiviert. Was von vielen auch missverstanden wird: Die Führungskraft ist nicht der Vorturner, der Alleskönner und Besserwisser. Teams müssen ihre eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse sammeln. Führung gibt Teams und Organisationen das Gefühl der Teilhabe. Dennoch wird natürlich von der Führungskraft eine Vorbildwirkung erwartet. Die Kundenzentrierung etwa und der damit einhergehende Dienstleistungsgedanke muss kompromisslos vorgelebt werden. Noch ein Missverständnis: Erst muss alles bis Punkt und Komma durchdacht, zerlegt, analysiert werden, bevor man ins Tun kommt. Oft ist aber einfach loslegen Gold wert. Es gilt, Orientierung zu geben, Herausforderungen zu überwinden und gute Ergebnisse zu erzielen – im Team. Ein Top-Unternehmer brachte einmal im Gespräch mit mir ein weiteres entscheidendes Prinzip auf den Punkt: Konsent statt Konsens im Team. Commitment, also freiwillige Verpflichtung, statt nur „Ja“ sagen und dann nicht hinter der Entscheidung stehen – das ist der Königsweg. Und schließlich das viel besprochene Feedback als alltägliches Instrument. Dabei sollten Räume und Zeiten geschaffen werden, um Beteiligten wertvolle Rückmeldungen geben zu können. Ein Leitsatz für agile Führung könnte sein: "Alles wirklich Große und Inspirierende wird von Menschen geschaffen, die in Freiheit arbeiten können". Und Albert Einstein musste es ja wissen.

 

 

 

 

Gender-Disclaimer

Die auf dieser Website gewählte generisch-männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche, diverse und andere Personen.

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