Da Executive-Search ja mein Core-Business ist, ist die intensive Auseinandersetzung mit Strömungen für mich unerlässlich, die eine substanzielle Auswirkung auf die Führungskultur haben. Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist solch ein Paradigmenwechsel, an dem man nicht vorbeikommt, will man auch morgen im Rahmen der Direktsuche hohe Matching-Quoten erzielen.
Digitale Führungskompetenz – oder Digital Leadership (DL) – ist ein Konzept für die Führung im digitalen Zeitalter. Dabei sollen Führungskräfte den neuen Herausforderungen gerecht werden, die durch die digitale Transformation in der Arbeitswelt entstehen. Digitale Leader unterstützen Unternehmen dabei, die Vorteile und Möglichkeiten digitaler Technologien zu erkennen, zu vermitteln und diese Tools in ihren Arbeitsabläufen einzusetzen. Sie sind das Bindeglied zu den Mitarbeitenden, indem sie einerseits die Lücke im digitalen Raum überbrücken und andererseits Mitarbeitende jeder Generation bei der Arbeit mit verschiedenen digitalen Tools unterstützen. Dabei ist DL eine agile Führungsform, die Vorteile des digitalen Wandels nutzt und sinnvoll einsetzt. Freiheit und (Selbst-) Gestaltungsmöglichkeiten werden zu wichtigen Schlagworten.
DL verändert also die Rolle der Führungskraft und teilt sie vor allem in zwei Bereiche. Einerseits in die Führungskraft als Fachkraft, die Kompetenzen im Umgang mit Tools und Arbeitsmodellen wie Homeoffice besitzt. Andererseits ist die Führungskraft ein Change Leader, mit Kompetenzen im Change-Management, um Veränderungen im Unternehmen begleiten und steuern zu können. Sie reagiert mit Offenheit, Innovationsgeist und Mut auf neue Dinge und kann so die Veränderungen im Unternehmen aktiv begleiten. Diese Begleitung ist umso wichtiger, als dass viele valide Studien zu diesem Thema einen massiven Nachholbedarf aufzeigen.
Ausformung der DL
Führungskräfte dienen in diesem neuen Zeitalter als Vorbilder für die Mitarbeitenden, die nicht nur verwaltet, sondern gefordert und gefördert werden. Sie setzen ein positives Beispiel und geben den Mitarbeitenden mehr Freiheit, Eigenständigkeit und die Möglichkeit, Risiken einzugehen. Eine transparente und offene Kommunikation auf allen Ebenen ist entscheidend für den Erfolg dieses Wandels. All das lässt sich mit dem gestiegenen Bedarf an Soft Skills subsummieren.
Die Corona-Pandemie, New Work und eine fortschreitende Digitalisierung haben vielerorts die Mindsets aller Beteiligten verändert und Dezentralisierung und DL zu mehr als einem temporären Trend gemacht. Digital ist das neue Normal quasi.
Dieser neue Normalzustand bedeutet: In vielen Unternehmen ist zwar noch unklar, welche Auswirkungen die digitale Transformation tatsächlich hat. Klar ist aber: Die Veränderungen für Arbeitnehmende und ihre Führungskräfte finden in einem fortlaufenden Prozess statt. Daher ist es unerlässlich, dass Organisationen jederzeit nach vorne sehen, die Zukunft der Arbeit genau im Blick haben und die Unsicherheiten proaktiv aufgreifen.
Bob Johansen, seines Zeichens Autor und Teil eines Thinktanks im Silicon Valley, zeichnet das Bild einer instabilen Zukunft. Er spricht von der VUCA World, was für Volatility, Uncertainty, Complexity, and Ambiguity steht – also Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Unklarheit.
Digital Leader dürfen diese ungewisse Zukunft nicht passiv akzeptieren, sondern müssen sie aktiv mitgestalten, betont Johansen. Anstatt sich von der VUCA World überwältigen zu lassen, müssen sie konstruktiv handeln und neue Kompetenzen aufbauen. Es ist ihre Aufgabe, die Zukunft anzugehen und den Wandel zu gestalten.
Dazu sind neue Fähigkeiten und Kompetenzen erforderlich, die erlernt und weiterentwickelt werden müssen – was dem etwas abgegriffenen Schlagwort des lebenslangen Lernens neues Leben einhaucht.
Digitale Kompetenz: Natürlich spielt vor allem die digitale Kompetenz eine entscheidende Rolle, wenn es um das Thema DL geht. Dies beinhaltet einerseits den souveränen Umgang mit den bestehenden digitalen Tools und andererseits ein Verständnis für aktuelle Trends, um jederzeit auf dem neuesten Stand zu sein. Darüber hinaus ist es wichtig, das Team einzubeziehen, Mitarbeitende einzuarbeiten und so kluge Entscheidungen zu treffen.
Vernetzung: Die Fähigkeit, Netzwerke aufzubauen und zu pflegen, sowohl innerhalb des Unternehmens als auch extern mit Kunden, Partnern und anderen Stakeholdern. Die Nutzung von sozialen Medien und Plattformen kann hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Offenheit: Die Offenheit für neue Ideen, Technologien und Veränderungen. Führungskräfte sollten sich aktiv mit neuen Entwicklungen auseinandersetzen und eine Kultur der Innovationsbereitschaft fördern.
Partizipation: Die Einbindung und Beteiligung der Mitarbeitenden. Digitale Führungskräfte sollten ihre Teams ermutigen, aktiv an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und ihre Meinungen einzubringen.
Agilität: Die Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und schnell auf sich ändernde Marktbedingungen einzugehen. Agile Arbeitsmethoden und eine Anpassungsfähigkeit sind in der digitalen Welt unerlässlich.
Spezialisierung: Individuelle Kompetenzen und Kenntnisse sollen entwickelt werden, die in spezifischen Branchen oder Unternehmen relevant sein können. Branchenspezifisches Wissen und Fachexpertise also.
Positive Felerkzltur: Digitale Leader fördern eine positive Fehlerkultur, in der alle Mitarbeitenden gemeinsam daran arbeiten, zu lernen und sich zu verbessern. Fehler werden als Chancen betrachtet, die es jedem ermöglichen, sich in einem dynamischen Umfeld weiterzuentwickeln. Diese Kultur schafft ein Umfeld, in dem Mitarbeitende sich trauen, neue Ideen auszuprobieren und innovative Ansätze zu verfolgen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. Eine solche positive Fehlerkultur fördert die persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden, unterstützt den Erwerb neuer Fähigkeiten und trägt maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens bei.
Teambuilding: Die Auswahl der Mitarbeitenden und das Zusammenspiel im Team sind entscheidend für den Erfolg von Unternehmen während der digitalen Transformation. Indem digitale Leader zum proaktiven Handeln ermutigen und Verantwortung übernehmen, ermöglichen sie ein kontinuierliches Wachstum und die Entfaltung des vollen Potenzials ihrer Teams. Es geht dabei um den wertvollen Austausch von Wissen zwischen Mitarbeitenden aus verschiedenen Fachbereichen. Durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit lassen sich Probleme mit vielfältigen Ansätzen lösen und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, was Unternehmen ermöglicht, neue Ideen und Innovationen zu schaffen.
Transparenz durch Feedback: Die Selbsteinschätzung einer Führungskraft kann sich von der Wahrnehmung ihres Teams oder ihrer Kunden unterscheiden – Fremdbild und Selbstbild stimmen häufig nicht überein (Delta!). Erfolgreiche Digital Leader lernen deshalb aus echtem Feedback. In der digitalen Arbeitswelt ist es oft schwieriger einzuschätzen, was andere denken und fühlen, besonders wenn Leader und Mitarbeitende räumlich getrennt voneinander arbeiten und sich nicht täglich begegnen. Andersrum eröffnet die Digitalisierung neue Chancen: Noch nie war es nämlich einfacher, Feedback zu erfassen. Smarte Team-Feedback-Tools ermöglichen ganzheitliches Feedback, das Führungskräfte dabei unterstützt, zu guten Leadern zu werden.
Dabei geht es allerdings nicht nur darum, Feedback zum eigenen Verhalten zu erhalten. Intelligente Tools decken auch Unstimmigkeiten im Team auf oder erkennen schlecht laufende Prozesse. So haben es Leader einfach, Sorgen und Probleme frühzeitig zu identifizieren und zu handeln, bevor ernsthafte Konflikte entstehen – wodurch nachhaltiges Employee Engagement und eine starke Mitarbeiterbindung entstehen.
Fazit: Feedback ist das wertvollste Instrument für Führungskräfte, um fundierte Entscheidungen zu treffen und bildet den Grundstein für eine effektive Führungskräfteentwicklung.
Der von vielen trotz seines Hangs zur medialen Selbstinszenierung hochgeschätzte Philosoph für alle Lebenslagen Richard David Precht malt ein recht düsteres Szenario der Digitalisierung. Er sieht die Autonomie des Menschen in Gefahr und fürchtet, dass die Selbstverwirklichung der Person, die er existenzphilosophisch begreift, von den Plänen und Absichten der IT-Visionäre bedroht ist. Der Mensch wird degradiert zu einer Trägerrakete für die Erleuchtung des Universums mit der KI. Die Hohepriester des Silicon Valley lehren uns, in Menschen unvollständige Maschinen zu sehen, statt in Maschinen unvollständige Menschen.
Und die Politik, die gegensteuern könnte, ist einerseits selbst nur eine Marionette der Profitmaximierung um jeden Preis – und andererseits haben hochbegabte Menschen in der Politik ohnehin kaum eine Chance. Hat Precht Recht? Und wenn ja: Hat (Richard) David gegen den Goliath Mainstream eine Chance?
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