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  • Roland Spitzegger

ICH BEGLEITE – ODER: DER SYSTEMISCHE FÜHRUNGSSTIL



In meinem letzten Blog habe ich das Hochleistungs-Mindset erwähnt, das heutzutage nach wie vor als Motor für unsere wirtschaftliche Prosperität definiert wird. Verändert hat sich im Laufe der Jahrzehnte lediglich die Art und Weise, wie man diese Hochleistung in einer Organisationsstruktur wie etwa einem Unternehmen erzeugt und abruft. Der Führungsstil im Allgemeinen ist dabei ein wichtiger Faktor im großen Pool der Strategien und Methoden, um die "richtige" Einstellung zur Arbeit zu entwickeln. Insbesondere soll heute vom systemischen Führungsstil die Rede sein, der durchaus immer noch als modern bezeichnet werden kann, auch wenn er mittlerweile als Vorläufer des noch moderneren agilen Führungsstils gilt – als gemeinsame Nenner haben beide Integration und Multiperspektivität.

 

Ein Hoch auf die Hochleistung.

 

Gruppen brauchen einen gesunden und fruchtbaren Nährboden, auf dem Hochleistung gedeihen kann. Der besteht aus: einer Führungskraft, die mit systemischer Führung und den Anforderungen vertraut ist, um Teams durch die unterschiedlichen Phasen ihrer Entwicklung kompetent zu begleiten; einer als spannend, sinnstiftend und herausfordernd empfundenen Aufgabe – Stichwort Team-Purpose; einer zielfördernde Aufgabenverteilung – jeder sollte seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechend am richtigen Platz arbeiten; einer Unternehmenskultur, die ermutigende Führung, Teamentwicklung und selbstständiges Arbeiten wertschätzt und fördert.

 

Als lebender Organismus durchläuft ein Team eine Reihe von Phasen, bis sie letztlich ganz oben – quasi im Olymp der Entwicklungsstufen – angelangt ist: der performanten Phase. Sie zeichnet sich durch folgende Charakteristiken aus 1) Das Team übernimmt hohe Eigenverantwortung für die effiziente Lösung von Herausforderungen. 2) Die Führungskraft wird dazu kaum mehr gebraucht, vielmehr überwacht sie den Lösungsprozess. 3) Die Rolle der Führungskraft verändert sich im Verlauf des Teamentwicklungsprozesses – weg von der frontalen Führung, hin zum moderierenden Ermöglicher. 4) Das Team hat den höchsten Identifikationsgrad mit seinen Aufgaben und seinem Schaffen erreicht.

5) Konflikte werden eigenständig und konstruktiv gelöst, dabei auftretende Herausforderungen werden positiv geframt und als inspirierende Quelle neuer Ideen und Möglichkeiten interpretiert.

 

Schlüsselbegriff stellvertretende Führung.

 

Komplexe und vernetzte Herausforderungen sind heute nur noch dann zu bewältigen, wenn die Mitarbeiter zur Selbstführung fähig sind – man spricht im modernen Organisationsmanagement von der stellvertretenden Führung. Klar: eine einigermaßen kluge Führungskraft weiß ohnehin, dass Mitarbeiter ihren eigenen Kopf haben und oft genug die besten Experten für die Herausforderungen sind, vor denen sie beruflich stehen. Geführt wird also nur noch dort, wo Selbstführung noch nicht gelingt und die Eigenkräfte der Teams unzureichend sind. Moment: klingt ein bisschen wie Laissez faire (ein weiterer Führungsstil, der in einem späteren Blog besprochen wird) oder sogar „Nicht-Führung". Mitnichten: Führungskräfte werden nach wie vor gebraucht, aber eben in selbststeuernden Systemen 

mit anderen Fähigkeiten. Sie sind in diesem Modell letztlich für das Lernen und die Entwicklung ihrer Teams verantwortlich und müssen dafür dialogoffen und dialogfähig werden.

 

Insbesondere in Zielentwicklungsprozessen ist das Prinzip des Dialogs, also der Partizipation, entscheidend. Mitarbeiter werden dabei für Ziele nicht überredet – vielmehr findet in mehreren Feedbackschleifen (demnach dialogischen Prozessen) eine Abgleichung zwischen eigenen und betrieblichen Bedürfnissen statt. Handwerklich saubere

Moderationsfähigkeiten sind dafür natürlich unabdingbar. Und es setzt eine intakte Kooperationskultur voraus. Alle anstehenden Entscheidungen werden zunächst also einmal vorläufig zur Diskussion gestellt. Systemisch handelnde Führungskräfte sind deshalb weniger darauf aus, Prozesse in kürzester Zeit abzuspulen, sondern darauf, dass sich die Dinge in angemessener Zeit substanziell und beständig entwickeln. Der positive Effekt: Kooperation und Integration schafft Vertrauen – und das fließt wieder in die Motivation und letztlich in die Leistungsfähigkeit ein. Aber auch in die Kommunikation. Warum?

 

Ein gesunder dialogischer Prozess muss mit zahlreichen Feedbackschleifen durchwoben sein. Wenn alle den weiter oben beschriebenen "Task-Ownership" verinnerlichen wollen – sich also für die Qualität verantwortlich fühlen und als produktiver Teil eines großen Ganzen sehen – dann müssen Rückmeldungen über Abweichungen vom Standard auch genau an diese Owner, sprich Mitarbeiter, rückgemeldet werden. Eine Art kybernetischer Kreislauf, in dem der einzelne sein Qualitätsmanagement nur dann steuern kann, wenn er solche Rückmeldungen kontinuierlich erhält. Dazu müssen Feedbacks freilich entdramatisiert und von Angstgetriebenheit erlöst werden. Denn eine Feedback- und Vertrauenskultur ist auch von der Gewissheit gekennzeichnet, dass Fehlerlosigkeit schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit ist.

 

Wertschätzend fordern, wertschöpfend fördern.

 

Viele Führungskräfte sind getrieben vom Willen zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen und einem mechanistischen Ursache-Wirkungsmodell. Wenn die erwünschten Ergebnisse ausbleiben, reagieren sie meist mit eskalierender Autorität und mehr von demselben – was ja schon seit Paul Watzlawick und seiner "Anleitung zum Unglücklichsein" als Absurdum entlarvt wurde. Es wird härter durchgegriffen, mehr Macht demonstriert, bis sich die Mitarbeiter fügen und bei der nächsten Anweisung von oben entweder kuschen oder in den Widerstand gehen.

Viel besser wäre: Mitarbeiter werden zum Mit-Denken, Mit-Entwickeln, Mit-Bestimmen ermutigt und inspiriert. Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit  – zwei wesentliche psychologische Grundprinzipien, die Motivation und Bindungskräfte in Teams schaffen – werden dadurch verstärkt. Geschulte Führungskräfte wissen: Es ist auf Dauer ohnehin unmöglich gegen Interessen von Mitarbeitenden zu arbeiten. Auch wenn es zunächst so aussieht, als ob Abteilungen oder einzelne widerspenstige Netzwerke folgen, taucht der Widerstand, der zunächst gebrochen erscheint, irgendwann später in anderer Form wieder auf. Zielführender und nachhaltiger ist es, die Eigenkräfte des Systems im Dienst der eigenen Sache zu nutzen.

 

Fein kalibrierte Sensoren helfen dabei. Solche, die darauf ausgerichtet sind zu spüren, was im System vor sich geht und welche Kräfte nutzbar zu machen sind. Das setzt integrierendes, zusammenfügendes Denken voraus, das auf einem breiteren Horizont beruht, von größeren Zusammenhängen ausgeht und die vielen Einflussfaktoren berücksichtigt.

 

Solche, die darauf ausgerichtet sind, Entwicklungsräume zu schaffen. Keine Lösung ist eine endgültige – das weiß man in der Wissenschaftstheorie spätestens seit Karl Popper und seinem Postulat der Falsifizierbarkeit (statt Verifizierbarkeit). Unabdingbar für Entwicklungsräume ist natürlich, den Vorstellungen der Mitarbeiter Raum zu geben, was wiederum den Kreis hin zur Partizipation schließt.

 

Solche, die darauf ausgerichtet sind, mit Unsicherheiten leben (und arbeiten!) zu lernen. Insbesondere Unsicherheit im Hinblick auf die Ergebnisqualität, wenn man Aufgaben delegiert. Im Umkehrschluss: wie sicher sind denn die eigenen Erkenntnisse und haben sie ein Recht auf den Anspruch auf die ultimative Wahrheit? Na also. Es gilt demnach, in einem gesunden Maß immer wieder die eigenen Denkmodelle zu hinterfragen. Frei nach Kant und den Grundfragen der Epistemologie: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist eine Führungskraft (Kant nannte hier den Menschen ;-) Das ist natürlich beängstigend (da ist sie ja wieder, die Angstgetriebenheit!), vor allem für Führungskräfte, die darauf gedrillt sind, immer und überall die absolute Kontrolle haben zu müssen. Denn ist das Fragezeichen nicht immer ein Zeichen des Aufbruchs  – im mehrfachen Wortsinn übrigens? Man verlässt gewohnte Denkmuster, man bricht sie auf, um letztlich neue Erkenntnisse zu gewinnen. Besser: gewinnen zu wollen. Und wer das will, hat schon vieles begriffen.

 

 

Gender-Disclaimer

Die auf dieser Website gewählte generisch-männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche, diverse und andere Personen.

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