Der Führungsstil beschreibt das Verhalten von Vorgesetzten gegenüber ihren untergeordneten Mitarbeitern. Soweit so gut. Dahinter steckt aber etwas Entscheidendes: das Menschenbild. Und damit einerseits die Grundhaltung der Führungskraft gegenüber Angestellten, andererseits die Corporate Culture eines Unternehmens. Somit prägt der Führungsstil massiv das jeweilige Arbeitsklima im Unternehmen – und die Fluktuationsrate. Passt der Führungsstil nicht, sinken Motivation und Engagement der Belegschaft unmittelbar. Mögliche Folgen sind, dass Mitarbeiter in die innere Kündigung gehen (Quiet Quitting) oder das Unternehmen ganz verlassen. Umgekehrt kann ein guter und moderner Führungsstil einen Arbeitgeber deutlich attraktiver machen. Ein Bonmot besagt ja bekanntlich: Mitarbeiter kommen wegen des Jobs und gehen wegen des Chefs.
Grundsätzlich unterscheiden sich Führungsstile an der Entscheidungsgewalt und den Entscheidungsspielräumen, die den Führungskräften beziehungsweise Mitarbeitern eingeräumt werden. In meinem letzten Blog „Ich fühle – oder: der empathische Führungsstil” habe ich das eine Extrem erläutert, in dem Mitarbeitern ein Maximum an Mitbestimmung und -gestaltung gegeben wird. Heute möchte ich die Antipode dazu erläutern: den autoritären Stil. Er geht von der Grundannahme aus, dass für Menschen die Sicherheit wichtiger ist als die Selbstverwirklichung.
Der autokratische Stil
Darunter fallen zwei sehr ähnliche Stile, der autokratische und der patriarchalische. Autokrat ist der Fachterminus für Alleinherrscher. Beim autokratischen Führungsstil trifft der Chef alle Entscheidungen alleine. Die Mitarbeiter werden dazu nicht gefragt oder gehört. Es existiert eine strenge Hierarchie. Wenn also beispielsweise das Team ein bestimmtes Ziel erreichen soll, werden die Aufgaben klar verteilt und den Anordnungen müssen alle Beteiligten ohne Wenn und Aber folgen. Abweichende Meinungen sind unerwünscht. Das kann mitunter sogar Vorteile haben. So gibt es etwa Krisensituationen, in denen schnell entschieden werden muss und für Diskussionen keine Zeit bleibt. Aus Mitarbeitersicht kann der autokratische Führungsstil sogar entlastend sein, weil die Zuständigkeiten geklärt sind und sie keine Verantwortung tragen müssen.
Es liegt auf der Hand, dass dieses Modell heute in die Jahre gekommen ist, geht doch der Trend schon seit langem genau in die andere Richtung: immer mehr hin zu Mitbestimmung und Partizipation. Dementsprechend überwiegen bei diesem Stil die Nachteile. Kreative Geister zum Beispiel, die sich mit eigenen Ideen einbringen wollen, würden jämmerlich verkümmern. Der Führungsstil erstickt jedes Engagement im Keim, sodass nicht nur innovative Ideen verloren gehen, sondern auch wertvolle Talente. Eine Tatsache, die gerade heutzutage im War of Talents aufgrund des Arbeitnehmermarktes desaströse Konsequenzen für ein Unternehmen haben kann.
Der patriarchalische Führungsstil
Der patriarchalische Führungsstil ähnelt dem autokratischen Führungsstil. Der Unterschied liegt jedoch im Menschenbild: Im Gegensatz zum Autokraten führt der Patriarch „väterlich” und fühlt sich für seine Mitarbeiter verantwortlich. Zwar trifft auch er seine Entscheidungen alleine, im Umgang zeigt dieser Chef aber mehr Fürsorge gegenüber den Angestellten. Legitimiert wird seine Position durch Alters-, Wissens- und Erfahrungsvorsprung. Beispiel: Der Boss initiiert ein neues Projekt und macht klare Vorgaben, wie dieses zu erreichen ist und wer was genau zu tun hat. Die Aufgaben werden nach den Stärken und Schwächen im Team verteilt, um die Mitarbeiter bestmöglich zu fördern und zu motivieren.
Weil klare Anweisungen und Vorgaben existieren, gibt es keine langen Entscheidungswege. Jeder weiß, was zu tun ist. Die Aufgaben entsprechen den eigenen Interessen. Das motiviert zusätzlich. Es gibt kaum Gerangel um Zuständigkeiten. Auch hier verfügt die autoritäre Führungskraft über ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale: sehr hohes Durchsetzungsvermögen, hohe fachliche Kompetenzen, Selbstsicherheit, Fähigkeit zur Selbstreflexion, hohe Kommunikationsfähigkeit, Leistungsorientierung, Entscheidungsfreude. Für kreatives Denken und neue Ideen bleibt allerdings auch hier kein Spielraum. Es wird gemacht, was der Chef sagt. Das führt schnell zur Entfremdung vom eigenen Tun – Die Mitarbeiter fühlen sich mit dem Unternehmen und „ihrem” Projekt weniger verbunden.
Der autoritäre Führungsstil hat auch weiterhin seine Berechtigung, wenn auch in homöopathischen Dosen. In manchen Situationen ist es unvermeidlich, autoritär zu führen - auf Dauer ist es unvermeidlich, darauf zu verzichten. Hier sollte allerdings immer genau abgewogen werden, in welchen Situationen ein autoritäres Durchgreifen sinnvoll ist und ab wann andere Führungsrollen, wie die Befähigung und das Coaching der Mitarbeiter wieder in den Fokus rücken sollten. Situative Führung lautet da das Zauberwort – eine Synthese aus mehreren Stilen und ein Thema, das ich in einem künftigen Blog noch näher unter die Lupe nehmen werde.
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