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AHA! ODER: VOM LERNEN IN EINER ORGANISATION

Roland Spitzegger


Dann und wann ist es unerlässlich, über den Tellerrand meiner Kernkompetenz zu blicken und mich mit daran angrenzenden Disziplinen zu beschäftigen. Es ist immer wieder spannend, wie sehr diese in mein alltägliches Tätigkeitsfeld hineinspielen können. Tatsächlich geben sie mir das nötige Hintergrundwissen, um in meinem Job noch gezielter arbeiten und die besten Talente für vakante Positionen finden zu können. Die Organisationsentwicklung ist das beste Beispiel dafür – und insbesondere das Buch "Die fünfte Disziplin", mit dem Peter Senge bereits 2011 für Aufsehen sorgte, hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Darin geht es um das Konzept der lernenden Organisation und es ist verblüffend, wie wenig trotz glasklarer Erkenntnisse bis heute im modernen Unternehmensalltag davon angekommen ist. Als fünfte Disziplin wird – neben individueller Reife, mentalen Modellen, gemeinsamen Visionen und Lernen im Team – das systemische Denken bezeichnet.

 

Lernen ist ein interdisziplinäres Thema. So beschäftigt sich etwa die Psychologie oder die Neurowissenschaft damit. Beeindruckend ist die Gegenüberstellung der beiden Gegenspieler "Teufelskreis" und "Engelskreis", die auch als Negativ- und Positivspirale bezeichnet werden. Bei ersterer gibt es folgende, sich schließende, Kausalkette: Frust führt zu Angst, zu Vermeidung, zu keinem Lernen, zu Leistungsdefizit, zu Sanktion, zu Frust. Dem gegenüber der Engelskreis: Befriedigung führt zu Spaß, zu "mehr davon!", zu lernen, zu guten Leistungen, zu Belohnung, zu Befriedigung. Hier kommen AHA-Erlebnisse ins Spiel, die für eine körpereigene Dopamindusche und damit Glücksgefühle sorgen.

 

Eines der wesentlichen Elemente dabei enthält die Frage, ob das eigene Können größer, gleich oder kleiner ist bzw. sein soll als die Anforderung der Aufgabe. Der Spruch „Man wächst mit seinen Aufgaben“ stimmt einerseits auch im Sinne der Lernpsychologie, denn herausfordernde Aufgaben schaffen in einer positiven Atmosphäre Anreize, sich neues Wissen anzueignen.


Fat and Happy.


Andererseits schafft dauerhafte Überforderung auch Stress und sorgt dann im Extremfall für Burn-Out. Flow-Erlebnisse, die in einer positiven Balance zwischen Unter- und Überforderung entstehen, sind die beste Voraussetzung für besonders wirkungsvolles Lernen. Deshalb sollte jede Organisationsentwicklung das Ziel verfolgen, im Unternehmen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich Hochleistungsphasen – also anspruchsvolle Ziele mit hoher Anstrengung erreichen – mit Phasen der kreativen Entspannung abwechseln. Dazu gibt es ein interessantes Modell, das die unterschiedlichen Energiezustände in einer Organisation widerspiegelt. Man stelle sich 2 Achsen vor: Intensität (I) und Qualität (Q) der Energie. Sind beide niedrig spricht man von resignativer Trägheit – innere Kündigung lautet da der moderne Begriff, der in den letzten Jahren ziemlich gehyped wurde. Ist (I) hoch und (Q) niedrig, handelt es sich um korrosive Energie, das mit dem Protestschrei "Wir streiken" zum Ausdruck gebracht werden kann. Ist (I) niedrig und (Q) hoch, ist man "fat and happy". Sind beide hoch heißt es: "Mit Volldampf voraus!". Die beiden letzteren Zustände sind im Wechselspiel die Idealzustände, wie weiter oben erwähnt.

 

In der Hirnforschung hat man herausgefunden, dass Lernen im Unternehmenskontext bei folgender Gestaltung der Lernprozesse wirkungsvoll ist:


  • Lernen als Sinngebung: Es muss klar sein, warum das Lernen stattfindet. Zudem sollte Anerkennung und Wertschätzung erreicht werden können. In diesem Zusammenhang verweise ich immer wieder gerne auf den großartigen TEDx Vortrag von Simon Sinek: "Start with Why".

  • Lernen als ganzkörperlich-emotionale Erfahrung: Lernerfahrungen bleiben dann besonders stark in Erinnerung, wenn sie „unter die Haut gehen“. Dies spricht ganz klar für Angebote, die man in der direkten Aktion erlebt, wo man Dinge sofort ausprobieren kann und die Lernerfahrung mit möglichst vielen Sinnerlebnissen verknüpft ist.

  • Lernen als Vorbereitung auf die praktische Erfahrung: Insbesondere die Verknüpfung zur späteren Anwendung des Gelernten muss für einen erfolgreichen Lerntransfer gegeben sein. Nur wenn die gewonnenen Einsichten, Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten sich in der Praxis als nützlich und hilfreich erweisen, wird Lernen als erfüllend wahrgenommen. (Weshalb ja m.E. die oft gehörte Ermahnung der Eltern an ihre Kinder, dass sie "in der Schule fürs Leben lernen" nur zu einem Bruchteil wahr und sinnvoll ist.)


Der Kontext muss stimmen.


Wichtig ist: Lernen und demzufolge Wissenserwerb für sich genommen, ist nur die halbe Miete. Der organisationale Kontext muss stimmig sein und sechs Faktoren beinhalten: Strategie, Struktur, Kultur, Mitarbeiter, Beziehungen, Prozesse. Die Klammer darüber bildet die Führung. Management und Führung verfolgen also das Ziel, eine Organisation im Sinne der Strategien und Ziele des Unternehmens zu entwickeln und damit erfolgreich und zukunftssicher zu gestalten. Dabei wollen sie die Erwartungen aller Stakeholder erfüllen. Das (Selbst-)Lernen bildet dabei eine zentrale Komponente. Denn nur Organisationen, die in sich selbst veränderungs- und anpassungsfähig bleiben, sind in der Zukunft weiterhin erfolgreich. Das zeigt die lange Liste von ehemals erfolgreichen Unternehmen, die an ihrem eigenen Erfolg, der damit verbundenen Hybris und der Unfähigkeit zum Selbstlernen zugrunde gingen. Kodak und Nokia sind nur zwei Beispiele von vielen.

 

Führung und Kommunikation 


Schon des Öfteren habe ich in diversen Blogs und in verschiedenen Zusammenhängen auf die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Führung (bzw. Führungsstils)  und einer ebensolchen Kommunikationskultur verwiesen. Es ist mittlerweile eine unbestrittene Tatsache, dass ein inspirierender Führungsstil, im Verbund mit einer starken Betonung der Gesundheitsorientierung, einen hohen Einfluss auf die Gesundheit und damit auf Identifikation, Wohlbefinden, Motivation etc. ausübt. In der ausgewogenen Balance zwischen Fördern und Fordern besteht ein wichtiger Hebel zur Schaffung von lernförderlichen Rahmenbedingungen (siehe weiter oben "fat and happy" und "Mit Volldampf voraus!"). Lernen entsteht vor allem in der Kommunikation zwischen den Menschen in Organisationen. Daher muss man auf die Gestaltung engmaschiger Kommunikationsnetzwerke und durch vielfältige Medien unterstützte Kommunikationsplattformen mit gut verankerten Lern- und Selbstlernschleifen fokussieren, wie es beispielsweise im agilen Projektmanagement mittlerweile Gang und Gäbe ist.


Gender-Disclaimer

Die auf dieser Website gewählte generisch-männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche, diverse und andere Personen.

 
 
 

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