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  • Roland Spitzegger

SIND SPITZENMANAGER IHRE MILLIONEN WERT?


Kennen Sie den Namen Patrick Gelsinger? Was nach dem netten Verkäufer im Baumarkt ums Eck klingt, ist der Chef des kalifornischen Chipherstellers Intel. Sein Gehaltspaket letztes Jahr: 178 Millionen Dollar. Noch Fragen? Ich schon: ist diese enorme Vergütung gerechtfertigt? Laut Intel ist in diesem Betrag für den neuen Chef auch eine Entschädigung dafür enthalten, dass er Aktienoptionen bei seinem vorherigen Arbeitgeber, dem Software-Unternehmen VM-Ware, aufgeben musste, um zu Intel zu wechseln. Ach so, Schmerzensgeld, na dann...Direkt läppisch macht sich da die Summe aus, die die Nummer zwei, Apple-Chef Tim Cook, kassiert: 99 Millionen Dollar. Tatsache ist, dass in den letzten Jahren die Gehälter von Spitzenmanagern immer wieder in die Schlagzeilen geraten sind – zumal sie ja auch dann ausgezahlt werden, wenn desaströse Fehlschläge produziert werden. Darüber hinaus wird oft kritisiert, dass die Renumeration in keinem Verhältnis zur Leistung steht und die Gehaltsunterschiede zwischen der Führungsebene und den übrigen Mitarbeitern viel zu groß sind. Grund genug, um sich diese Thematik mal etwas näher anzusehen.


1) Wertschöpfung


Wodurch sind hohe, oder sogar exorbitant hohe Gagen zu rechtfertigen? Nun, Wert könnte man beispielsweise mit Wertschöpfung legitimieren. Da wäre zunächst die strategische Entscheidungskompetenz. Weil Spitzenmanager für die Ausrichtung und Strategie eines Unternehmens verantwortlich sind, beeinflussen ihre Entscheidungen maßgeblich den Erfolg eines Unternehmens und können enorme finanzielle Auswirkungen haben. Eine Hebelkraft, die angesichts des Gewinnpotenzials selbst noch so hohe Einkommen mickrig aussehen lässt. Dann die Personal- und Führungskompetenz. Den richtigen Mitarbeiter an die richtige Position zu setzen und ihn mit den richtigen Aufgaben zu betrauen – das ist im Idealfall ein unbezahlbares Talent. Hinzu kommt dann vielleicht noch die Fähigkeit, die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter zu beflügeln. Ziele werden gesetzt, Talente gefördert, Teambuilding-Optimierungen vorangetrieben und wie wir alle wissen, steht und fällt der Erfolg einer Organisation letztlich mit der Qualität der Mitarbeiterleistung. In Summe wird darüber hinaus eine Unternehmenskultur und -marke auf- und ausgebaut. Spitzenmanager bringen auch oft ein umfangreiches Netzwerk und geschäftliche Beziehungen mit, die für das Unternehmen von großem Wert sein können. Dadurch werden neue Business Opportunities erschlossen, Partnerschaften erweitert und letztlich auch hier die Unternehmensmarke gestärkt. Nicht zu vergessen das Risikomanagement, wofür Spitzenkräfte die Verantwortung tragen. Heißt: Identifizierung und Bewertung potenzieller Risiken und die Entwicklung valider Strategien, um diese abzumildern oder zu verhindern.


2) Einflussfaktoren


Wie so oft, ist auch bei der Frage nach dem Wert eines Gehalts die Differenzierung sinnvoll. Zahlreiche Faktoren kommen ins Spiel und so wäre es wohl grundfalsch, alles über einen Kamm zu scheren. Der eingangs erwähnte Baumarkt ums Eck ist nun mal nicht Intel. Die Unternehmensgröße und -komplexität ist beispielsweise eine ganz andere. Je größer das Unternehmen, umso größer klarerweise die Herausforderungen und Verantwortlichkeiten. Dann darf man ja auch nicht vergessen, dass viele Spitzenmanager einen großen Teil ihrer Vergütung in Form von Aktienoptionen oder Bonuszahlungen erhalten, die an die Erreichung bestimmter Ziele geknüpft sind. Dadurch wird ein Anreiz geschaffen, das Unternehmen erfolgreich zu führen und langfristig Wert zu generieren. Auch eine makroökonomische Komponente kommt ins Spiel: wir leben und arbeiten in einer Marktwirtschaft und das Gesetz von Angebot und Nachfrage ist maßgeblich. Die Zahl der Personen, die über die erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, um ein Unternehmen überhaupt erfolgreich führen zu können, ist begrenzt. Knappheit erzeugt Begehrlichkeit und kann dazu führen, dass die Gehälter steigen. Und da die Marktwirtschaft eine globalisierte ist, ist auch immer der internationale Vergleich relevant und die Gehälter in anderen Ländern spielen eine wichtige Rolle. Werden da Benchmarks immer höher geschraubt, muss man mitziehen, um am Mitarbeitermarkt wettbewerbsfähig zu bleiben – eine der vielen Implikationen des unerbittlichen War of Talents.


3) Problemfelder


Alles in bester Ordnung also? Wohl kaum. Die hohen – und von vielen eben als unverschämt hoch wahrgenommenen – Gehälter von Spitzenmanagern können zu einer wachsenden sozialen Ungleichheit beitragen. Laut einer Studie des Economic Policy Institute verdienten CEOs von US-amerikanischen Großunternehmen im Jahr 2020 etwa 351-mal (!) so viel wie der durchschnittliche Arbeiter. Dieser Gehaltsunterschied hat in den letzten Jahrzehnten sogar deutlich zugenommen, womit die Chancen für soziale Spannungen noch weiter steigen. Auch hier wirkt das Gesetz der kritischen Masse: alles geht einigermaßen gut bis zu einem gewissen Punkt – dann kippt die Gemengelage und entwickelt eine oft unkontrollierbare Eigendynamik mit desaströsen Folgen. Mischen dann auch noch gewisse politische Interessen mit, wirkt das wie ein Zunder für einen Flächenbrand.


Interessant auch die Frage, ob es eigentlich eine tatsächliche Korrelation zwischen Vergütung und Leistung gibt. Eine Studie der Harvard Business School aus dem Jahr 2016 ergab jedenfalls, dass die 100 am höchsten bezahlten CEOs lediglich eine durchschnittliche Rendite für ihre Aktionäre erzielten. Noch ein anderer Aspekt kommt ins Spiel. Selbst wenn ein einzelner ein wahrer Guru darin ist, andere zu motivieren – was zählt denn schließlich mehr? Diese Leistung oder doch die Leistung des Kollektivs, das motiviert worden ist? Und in welchem Verhältnis soll dies nun bewertet und vergütet werden?


Dann die oben erwähnte Sache mit den Anreizen, die ja auf den ersten Blick so stimmig erscheint. In einigen Fällen können leistungsorientierte Bezahlungssysteme sogar konterproduktiv sein. Spitzenmanager könnten nämlich dazu verleitet werden, nur kurzfristige Erfolge zu erzielen, um ihre Bonuszahlungen zu maximieren, auch wenn dies langfristig dem Unternehmen schadet. Der Skandal um die Manipulation von Abgaswerten bei Volkswagen im Jahr 2015 ist ein gutes Beispiel dafür, wie solche Fehlanreize zu unethischem Verhalten führen können.


Sind Spitzenmanager also ihre Millionen wert oder nicht?

In vielen Fällen ja – und zwar im Hinblick auf ihre Verantwortung, Fähigkeiten und Ergebnisse, die sie für das Unternehmen erzielen. Aber Verbesserungspotenzial gibt es immer. Und so wäre noch ein weiterer großer Schritt getan, wenn man den Spielraum für Malversationen einengen könnte. Die Vergütung könnte beispielsweise stärker an den langfristigen Erfolg des Unternehmens gekoppelt werden, durch Aktienoptionen mit einer längeren Haltefrist oder Bonuszahlungen, die an nachhaltige Kriterien geknüpft werden. Von Vorteil wäre auch, wenn Unternehmen mehr auf eine transparente Kommunikation ihrer Vergütungspolitik achten würden – denn wo nichts ist, kann auch nichts aufgedeckt werden.


Letztlich ist aber das Prinzip der Wertbemessung selbst eines, das absurde Blüten treibt. Oder ist es wirklich vernünftig, aus einem Stück Papier mit einer Zahl darauf einhellig ein unwiderstehliches Objekt der Begierde zu machen? Das Leben einer Mücke hingegen ist nichts wert und wird oft allzu gerne mit einer klatschenden Handbewegung beendet. Obwohl sie doch etwas kann, wozu der Mensch nicht fähig ist wovon er immer schon träumte: fliegen!




Gender-Disclaimer

Die auf dieser Website gewählte generisch-männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche und diverse Personen.


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