Ganz oben ist die Luft dünn, sagt man. Kommt allerdings darauf an, von welchem „oben” man spricht. Das kann nämlich auch eine sehr bequeme Komfortzone sein, in der es sich prächtig leben lässt – jedenfalls solange bis die Blase platzt. Die Rede ist vom Gipfel des sogenannten „Mount Stupid”, und der befindet sich wiederum in der sehr interessanten Topografie des Dunning-Kruger-Effekts. Böse Zungen behaupten, dies sei das natürliche Habitat der GenZ. Stimmt das? Oder ist die nur die verzerrte Wahrnehmung einer Gruppe von Menschen – insbesondere große Lenker und Denker –, die Leistung bzw. Leistungswille über alles stellen und der Überzeugung sind, dass unsere Zukunft auf schwachen Schultern steht?
Moment, Moment, Dunning was? Der Dunning-Kruger-Effekt: Das ist eine kognitive Verzerrung, bei der Personen aufgrund ihrer Unerfahrenheit dazu neigen, sich selbst zu überschätzen. Konkret in diesem Fall: in Bezug auf die Anforderungen der Arbeitswelt und die Erwartungen in ihre Fähigkeiten. Der Effekt lässt sich bestens anhand einer Kurve beschreiben, der von 2 Achsen – Selbstvertrauen einerseits sowie Wissen und Erfahrung andererseits – bestimmt wird. Bei wenig Erfahrung wird rasch der o.g. „Mount Stupid” erklommen, der sich durch ein Übermaß an ungerechtfertigtem Selbstvertrauen auszeichnet. Mit zunehmender Erfahrung stürzt man dann allzu leicht in das „Tal der Verzweiflung”, aus dem einen noch später der „Weg zur Erleuchtung” hinausführen kann, um letztlich das glückselige „Plateau der Nachhaltigkeit” zu erreichen. Dann stimmen Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung überein und der Reality Check schlägt nicht mehr gnadenlos zu. Ist das der natürliche (Arbeits-)Lebenszyklus der GenZ?
Wie tickt die GenZ?
Angeblich streben die zwischen 1995 und 2010 geborenen kreative Arbeit, Selbstverwirklichung und Work-Life-Balance an. Gerne werden sie als arbeitsscheu bezeichnet sowie als nur bedingt kompatibel mit einem traditionellen Wirtschaftsleben. Wie weit das tatsächlich stimmt, ist mittlerweile Thema vieler Studien. Fast unisono zeigen die Ergebnisse, dass ein Job einiges mitbringen muss, um überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Tatsächlich werden Karrieremöglichkeiten, Entscheidungsfreiräume und Eigenverantwortung von den Arbeitnehmern vorausgesetzt. Als Begeisterungseigenschaften werden dagegen oft Homeoffice, flexible Arbeitszeiten oder andere Aspekte, die zu besserer Work-Life-Balance beitragen, identifiziert. Mit ihnen kann sich der Arbeitgeber positiv von Mitbewerbern abheben (siehe übrigens hier zum Thema Reverse Recruiting).
Aber wie steht es mit der Belastbarkeit? Tatsächlich könnte einiges darauf hindeuten, dass Vertreter der GenZ weniger konzentrationsfähig sind. Ihre Ausdauer ist eingeschränkt und dies ist unter anderem auf eine überbehütete Erziehung zurückzuführen. Worte, die in der Gesellschaft und vor allem bei älteren Generationen oft Anklang finden. Aber auf die Frage, ob junge Menschen generell weniger belastbar sind, lässt sich in den Studien keine pauschale Antwort finden. Denn auch hier muss von Fall zu Fall differenziert werden. Hieße „hohe Belastbarkeit”, dass Arbeitnehmer ihre eigenen Grenzen überschreiten müssten, um für den Arbeitgeber belastbar zu sein, wäre dies ein hoher Preis, den ältere Generation definitiv zu zahlen bereit waren. Und doch darf auch von den Digital Natives ein gesundes Maß an Belastbarkeit erwartet werden – wenn sie dafür nicht ihre Gesundheit und ihre Werte aufgeben müssen.
Dass Arbeitgeber die Post-Millennials herausfordernd finden, liegt an den auseinandergehenden Vorstellungen von Arbeit. Junge Fachkräfte fordern Arbeitserleichterung und fancy klingende Sachen wie beispielsweise „Workation”: Die Vervollkommnung einer hedonistischen Lebenseinstellung, bei der Urlaub und Arbeit verschmelzen. Business in Badehose quasi. Unternehmen hingegen, die nicht auf die junge Generation vorbereitet sind, halten an ihrer bisherigen Vorstellung von Arbeit fest. Es ist nur natürlich, dass das Konfliktpotenzial größer wird.
Immer wieder zeigen aber aktuelle Studien vor allem eines: Viele Nachwuchstalente würden tendenziell auf einen Job verzichten, wenn dieser sie unglücklich macht, weil sie stattdessen lieber ohne Job sind. Ihr persönliches Befinden und ihre mentale Gesundheit gehen vor. Eine Einstellung, die beispielsweise in der Babyboomer-Generation kaum denkbar wäre.
Hochleistungsträger als natürlicher Feind?
Und die ist nach wie vor am Ruder. Auch und besonders auf den Führungsebenen. Die Geschicke eines Unternehmens werden demnach meist ungebrochen aufgrund eines veralteten (positiv formuliert: bewährten) Mindsets entschieden, das von einer ausgesprochenen Hochleistungsmentalität geprägt ist. Die optimale Einstellung also, um das Beste aus sich herauszuholen – und zwar nicht nur temporär, sondern bitteschön rund um die Uhr. Sogenannte Leistungsträger sind sich beispielsweise der Tatsache bewusst, dass ihre Arbeit an der anderer gemessen wird. Wenn man Erfolg auf einer Kurve benotet, kann man nicht einfach bestimmte Benchmarks erreichen. Man muss andere übertreffen. Dieses Bewusstsein für den Wettbewerbscharakter der Leistung treibt Menschen mit einer Hochleistungsmentalität dazu, härter zu arbeiten. Sie investieren in persönliche Beziehungen, arbeiten oft länger und geben im Allgemeinen die Extrameile, um Dinge zu erledigen. Koste es was es wolle: Gesundheit, Familienglück, persönliches Wachstum.
Gleichzeitig hat mittlerweile aber selbst der eifrigste Hochleistungsträger erkannt, dass es ohne GenZ nicht geht, will man langfristig ins Wohl des eigenen Unternehmens investieren. Notwendig sind also Kompromisse, die für beide Seiten funktionieren und Verständnis für das, was bisher war und in Zukunft vielleicht nicht mehr sein soll. Hierzu gehört zum Beispiel die krankmachende Arbeitsüberlastung, der Arbeitnehmer ausgesetzt sind. Die Einsicht und das Verständnis dafür, dass Arbeitnehmer der Zukunft nur noch so lange und so viel wie nötig arbeiten möchten und den Job nicht zum Lebensmittelpunkt erklären, kann die Tore zur Kompromissbereitschaft öffnen: Wer sich verstanden fühlt, ist eher bereit, etwas zu leisten, als diejenigen, die auf Unverständnis und Vorurteile stoßen.
Mit ziemlicher Gewissheit steuern wir also auf keine Apokalypse zu. Wir befinden uns aber in einem Umbruch, der in dieser Heftigkeit schon lange nicht mehr stattgefunden hat (das letzte Mal zur Zeit der industriellen Revolution mit ihren neuen, disruptiven Technologien). Neben dem Cultur-Clash der Generationen tun andere Faktoren wie die exponentielle Entwicklung der künstlichen Intelligenz und geopolitische Umwälzungen ihr Übriges, um uns vor große Herausforderungen zu stellen. Im Gegensatz zur industriellen Revolution wird der arbeitswillige Mensch aber nicht geknechtet, sondern schlichtweg überflüssig. Packen wir’s also an. Und wenn nicht sofort, dann nach einem ausgiebigen Mittagsschläfchen. Oder morgen.
Gender-Disclaimer
Die auf dieser Website gewählte generisch-männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche, diverse und andere Personen.
Comments