top of page
  • Roland Spitzegger

WER HÄTTE DAS GEDACHT: AUCH HIRING KANN JETZT QUIET SEIN.



In der Ruhe liegt die Kraft, sagt man. Aber liegt darin auch mehr Potential für die HR-Branche oder gar ein Ausweg aus der angespannten Marktsituation? "Quiet" als neues Buzzword (um ein Modewort für Modewörter zu strapazieren) könnte darauf hindeuten. Nach dem trendigen Quiet Quitting, tauchte kürzlich das Quiet Hiring (und Firing!) in der Arbeitswelt auf – Grund genug, um einmal in aller Ruhe einen näheren Blick darauf zu werfen.


Vom stillen „Tschüss"....


Quiet Quitting hat vor einiger Zeit den Anfang gemacht und fegte durch die mehr oder weniger einschlägige Medienlandschaft wie ein Wirbelwind. „Hat nun keiner mehr Lust zu arbeiten, gibt´s nur noch Life statt Work in der Balance und sind jetzt sogar unsere zuverlässigen Boomer-Arbeitstiere nur noch auf Gen Y unterwegs oder was?" lautete die bange Frage. Der Begriff wurde leider vielerorts missinterpretiert in Richtung „stille Kündigung". In Wahrheit tangiert er sehr stark bekannte Konzepte aus der Wirtschaftspsychologie und dreht sich im Kern um die Frage, wie stark sich Mitarbeiter mit ihren Aufgaben identifizieren und sich für ihren Arbeitgeber engagieren. Das nennt man affektives Commitment. Und je stärker das ausgeprägt ist, desto eher zeigen die Betroffenen ein Verhalten, das deutlich über die in einem Arbeitsvertrag geregelte Aufgaben hinausreicht. Das Gegenteil ist das berechnende Commitment, bei dem man den Arbeitgeber nur als Steigbügelhalter für die eigene Karriere und ein möglichst hohes Einkommen definiert.


Quiet Quitting liegt irgendwo zwischen diesen beiden Polen. Quiet Quitter wollen nicht kündigen, sondern einfach nicht mehr als die Arbeit leisten, die vertraglich festgeschrieben wurde. Mehr noch: selbst bezahlte Überstunden finden keinen Anklang. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie keinerlei emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber haben oder bei der nächsten Gelegenheit zur Konkurrenz überlaufen. Sie setzen ihrem Arbeitgeber jedoch klare Grenzen an der Schnittstelle zwischen beruflichem und privatem Leben. Die Gründe dafür sind vielfältig: systematische Überforderung, Konformitätszwang bei Werten, mit denen man sich nicht identifizieren kann oder schlichtweg neue Lebenssituationen wie Kinder oder pflegebedürftige Verwandte – und ja natürlich auch Selbstfindungs- Freizeit- und Lebensoptimierungsstrategien.


...zum stillen „Willkommen!"


Quiet Hiring ist gewissermaßen das Gegenstück zum Quiet Quitting. Dahinter steckt das Konzept, dass neue Aufgaben mit bestehenden Ressourcen bewerkstelligt werden. Die Vorteile sind auf den ersten Blick vor allem auf Unternehmensseite evident: Verringerung der Recruiting-Kosten, langwierige und kostenintensive Einstellungsprozesse können elegant umschifft werden, die heikle Probezeit und damit das Risiko für hochgradige Ineffizienz entfällt und nicht zu vergessen: bestehende Mitarbeiter sind ja schon bestens mit den Abläufen im Unternehmen vertraut, da ist nur die neue Aufgabe selbst die noch zu lösende Variable und nicht sämtliche andere Rahmenbedingungen.


Bei genauer Betrachtung bieten sich auch für Mitarbeiter einige Chancen. Abgesehen davon, dass die Zukunft des Arbeitsplatzes im Unternehmen erhalten und gesichert werden kann, können zusätzliche Fähigkeiten und praktische Kenntnisse die Karrierechancen verbessern indem sie das Profil des Mitarbeiters schärfen. Außerdem: wer sagt denn, dass die Übernahme neuer Aufgaben nicht an eine satte Gehaltsanpassung gekoppelt ist? Auch hier ist zielführende Kommunikation das Mittel der ersten Wahl. Werden die Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse transparent und zumindest partiell selbstbestimmend eingebunden, könnte dies unter dem Aspekt der Talententwicklung sogar als valide Strategie zur Mitarbeiterbindung eingesetzt werden.


Der Schwerpunkt liegt also auf der internen Mobilität, dem Engagement für die richtigen Prioritäten, der Fortbildung und der Erweiterung der Möglichkeiten für die derzeitigen Mitarbeiter. Die australische Fluggesellschaft Qantas ist ein interessantes Beispiel. Führungskräfte wurden gebeten, den Arbeitskräftemangel teilweise durch Rotation als Gepäckabfertiger zu lösen. Die Motivation der Betroffenen laut Erhebungen? Zum Teil, weil es das Richtige ist, um das Unternehmen am Laufen zu halten, zum Teil, weil sie dadurch ein tieferes Verständnis für die Funktionsweise ihres Unternehmens entwickeln konnten, womit wir wieder beim affektiven Commitment wären. Und der so wichtigen Antwort auf die „Why"-Frage (siehe meinen Blog kürzlich).


Und Quiet Firing, vulgo mehr oder minder subtiles Hinausekeln? Das könnte in dem ganzen stillen Gefüge eine Art Verbindungsglied sein. Wer zu quiet quittet, könnte in einem fiesen Szenario quiet gefired werden, wodurch dann der Bedarf nach Quiet Hiring, also einer Umverteilung der Aufgaben entsteht.


Wer in der HR-Branche arbeitet weiß freilich: Quiet Hiring ist kein neues Phänomen, nur ein neu etikettiertes. Aber dennoch: es könnte im Umgang mit dem Fachkräftemangel und dem technologischen Wandel zu neuen Perspektiven führen, indem die Möglichkeiten interner Kompetenzentwicklung, arbeitgeberseitiger Aufgabenzuweisung sowie der Mitarbeiterbindung noch schärfer in den Fokus gerückt werden.







Gender-Disclaimer

Die auf dieser Website gewählte generisch-männliche Form bezieht sich immer auch auf weibliche und diverse Personen.


65 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page